Darstellen und Gestalten


Folgender Bericht von Franziska Gräfenhan (TA Gotha) zeigt, was im künstlerischen Fach "Darstellen und Gestalten" unter der Leitung von Ute Mixanek und Brigitte Hermann entstehen kann.
 

Wenn leben überleben heißt

Franziska Gräfenhan, 06.04.2019

„Wir wollen nicht so tun, als wären wir jene. Wir wollen an sie erinnern.“ Mit einem berührenden Appell wider das Vergessen haben sich neun Schülerinnen des Gymnasiums Ernestinum in Gotha am Donnerstag an ihr Publikum gewandt. Im „Fundament“ führten sie das Stück „Doch einen Schmetterling hab‘ ich nie gesehen“ nach Lilly Axster auf, das die Schicksale der Kinder und Jugendlichen im Ghetto thematisiert.

Das Paradies eines glücklichen Lebens finden sie in der Kanalisation. Sie träumen den unerreichbaren Traum vom 100. Geburtstag und erzählen sich das Märchen von Theresienstadt, das nicht mehr ist als die Fantasie von der doppelten Portion. Die Ausschnitte authentischer Aufzeichnungen, Berichte und Geschichten über die Kinder und Jugendlichen, die zu Zeiten des NS-Regimes in jüdischen Ghettos aufwuchsen, ordnen die Zehntklässlerinnen collagenartig zu einem Bild der stillen Furcht, der akzeptierten Ausweglosigkeit, des permanenten Kampfes ums Überleben, der für viele mit dem Tod endet.

Während sich das eine Kind fürchtet, nicht länger durch die Gitterstäbe zu passen, da sich die Pubertät anbahnt, läuft ein anderes den Mitleidenden blind vertrauend in die Hundemeute der Wärterin. Ein Mädchen sehnt sich nach der Wärme der Mutter, die hinter dem Zaun unerreichbar bleibt. Ein anderes vermag vor den Augen der Wachleute nicht still zu stehen und zieht todbringende Aufmerksamkeit auf sich.

Zehntklässlerinnen fertigen Requisiten selbst

„Hättet ihr uns nur gelehrt, wie man treten muss, damit man uns nicht tritt“, wenden sie sich alle Protagonisten gemeinsam an die Erwachsenen, deren humanistische Bildung unter solchen unmenschlichen Bedingungen nutzlos scheint. Und doch schwingt für die knapp 50 Zuschauer auch in diesen Worten die Mahnung mit, die Menschlichkeit niemals zu vergessen. So lautete die letzte Botschaft der Aufführung: „Man muss etwas tun, um selbst keine Schuld zu haben.“ Ein Satz, der mit Blick auf die tausenden tragischen Kinderschicksale unserer heutigen Zeit immer gilt.

Für die Zehntklässlerin Cleo Stolz, die sich zusammen mit ihren acht Mitschülerinnen im Unterricht „Darstellen und Gestalten“ an diese bedrückenden 45 Minuten herangewagt hat, liegt genau in diesen Worten die zentrale Botschaft. Ein Dreivierteljahr lang haben die 15-Jährige und die anderen Jugendlichen mit Ute Mixanek und Brigitte Hermann an Mimik und Gestik, Text und Kulissen gearbeitet, um die Kraft dieser Worte emotional spürbar zu machen und an all jene zu erinnern, die ohne Schuld Leid ertragen.

Gräfenhan, Franziska: Wenn leben überleben heißt, in: www.thueringer-allgemeine.de/leben/vermischtes/wenn-leben-ueberleben-heisst-id225294395.html [06. April 2019], zuletzt geprüft: 15. September 2019, 14:12.

ABCDEFGHIJKLMMNOPQRSTUVWXYY2Z

letzte Änderung: 15.09.2019